Wenn wir das Bruttoinlandprodukt messen, interessiert uns nicht nur, wie viel eine Volkswirtschaft leistet, sondern auch, ob sie besser wird: Wächst die Wirtschaft oder nicht? Werden mehr Güter und Dienstleistungen produziert oder nicht? Kleine Erinnerung: Das BIP misst den Güterstrom im Wirtschaftskreislauf; Wirtschaftswachstum bedeutet also: Es werden mehr Güter/DL produziert. Um das zu erfahren, vergleichen wir die Wirtschaftskraft eines Landes mit ihrer Leistung in den Vorjahren: Ist das BIP gewachsen, gleich geblieben – oder ist es gar geschrumpft?
Dieser Vergleich mit den Vorjahren ist nicht ohne Tücken. Das BIP besteht ja aus dem Wert von produzierten Gütern und Dienstleistungen. Diesen Wert messen wir anhand des Preises, also in Geld; in der Schweiz ist das der Schweizer Franken (CHF). Jedes Jahr verliert der Franken jedoch ein wenig an Wert, die Preise werden höher und man kann sich mit gleich viel Geld nicht mehr gleich viele Güter leisten. Diesen Vorgang nennt man Teuerung oder Inflation. Wenn unser Masstab also jährlich an Wert verliert, wird es schwierig, echte Vergleiche anzustellen. Wirklich vergleichen kann man nämlich nur, wenn man immer denselben Massstab anwendet. Wenn wir also wissen wollen, ob die Wirtschaft gewachsen ist, also ob mehr Güter und Dienstleistungen als im letzten Jahr produziert worden sind, dann müssen wir mit demselben Wert des Geldes rechnen. Aus diesem Grund unterscheiden wir das nominale und das reale BIP.
Beispiel 1:
Wir befinden uns in einer Volkswirtschaft, in der nur Jeans produziert werden. Nehmen wir an, eine Jeans kostet im Jahr 2012 CHF 100. Wegen der Teuerung verliert das Geld an Wert und deshalb steigen die Preise. 2013 ist dieselbe Jeans 2% teurer und kostet neu CHF 102.
Das BIP 2012 beträgt CHF 1’000.
Das BIP 2013 beträgt CHF 1’020.
Ist das nun Wirtschaftswachstum? Schliesslich ist das BIP 2013 ja als Zahl grösser.
Ob eine Wirtschaft wächst oder nicht sehen wir daran, ob mehr Güter produziert worden sind. Berechnen wir also, wie viele Güter – im Beispiel Jeans – in beiden Jahren produziert worden sind:
2012 haben wir CHF 1’000 : CHF 100 = 10 Jeans produziert.
2013 haben wir CHF 1’020 : CHF 102 = 10 Jeans produziert.
In beiden Jahren haben wir also genau gleich viele Güter (bzw. Jeans) produziert, die Wirtschaft ist nicht gewachsen – obwohl das BIP rein zahlenmässig grösser ist.
Beispiel 2:
Machen wir ein neues Beispiel. Die Bedingungen sind genau gleich wie in Beispiel 1.
Das BIP 2012 beträgt CHF 1’000.
Das BIP 2013 beträgt CHF 1’122.
Ist das nun Wirtschaftswachstum?
Berechnen wir auch hier, wie viele Güter (Jeans) produziert worden sind:
2012 haben wir CHF 1’000 : CHF 100 = 10 Jeans produziert.
2013 haben wir CHF 1’122 : CHF 102 = 11 Jeans produziert.
Im neuen Jahr wurden also mehr Güter produziert als im Vorjahr, die Wirtschaft ist gewachsen.
Um nicht von absoluten Zahlen in die Irre geführt zu werden wie in Beispiel 1, unterscheiden wir das nominale und das reale BIP. Nominal bedeutet «zu aktuellen Preisen» und ist die absolute Zahl, die wir heute messen. Im Beispiel 2 wäre das nominale BIP CHF 1’122. Real bedeutet im Falle des BIP «zu konstanten bzw. vergangenen Preisen». Wir berechnen das BIP also zu dem Preis, der im Jahr, mit dem wir vergleichen möchten, geherrscht hat. Im Beispiel 2 würden wir das BIP jeweils zum Preis von CHF 100 (dem Preis von 2012) berechnen:
2012: 10 Jeans x CHF 100 = CHF 1’000
2013: 11 Jeans x CHF 100 = CHF 1’100
Die CHF 1’100 sind das reale BIP für das Jahr 2013. Das BIP ist also von 2012 bis 2013 wertmässig um CHF 100, bezogen auf die Anzahl Güter um 1 Jeans gewachsen.
Für den Zusammenhang von Teuerung, realem und nominalem BIP gilt folgende Formel:
nominales BIP – Teuerung = reales BIP
Wir können das für Beispiel 2 also berechnen, wie hoch das reale BIP 2013 ist (die CHF 2 sind die Preisdifferenz von 2012 und 2013):
CHF 1’122 – (11 x CHF 2) = CHF 1’100
Wachstumsrate
Oftmals wird beim BIP jedoch nicht der absolute Wert in CHF bzw. die Anzahl Güter sondern die Wachstumsrate betrachtet. Die Wachstumsrate zeigt in % an, wie stark das BIP im Vergleich zum Vorjahr gewachsen ist, also in % wie viele Güter mehr produziert worden sind von Jahr 0 bis Jahr 1. Wie viele Prozente ist die Wirtschaft in unserem Beispiel real gewachsen?
– reales BIP 2012: CHF 1’000
– reales BIP 2013: CHF 1’100
– Wachstum: CHF 1’100 : CHF 1’000 x 100 = 110%
–> Das BIP ist also um 10% gewachsen gegenüber dem Vorjahr.
Auch für die Wachstumsraten von nominalem und realem BIP gilt derselbe Zusammenhang wie oben. Wenn also das nominale BIP in einem Land um 2% wächst und die Teuerung im gleichen Zeitraum 2,2% beträgt, so ist die Wirtschaft real um 0,2% geschrumpft:
2% – 2,2% = -0,2%
Die Wachstumsrate kann positiv oder negativ sein, je nachdem, wie gut es der Wirtschaft gerade geht. Sie schwankt im Laufe der Jahre ständig und ist ein Indikator für die Konjunktur, also die aktuelle Lage der Wirtschaft. Darüber lesen wir aber in einem späteren Beitrag mehr.
Quellen:
– Eggen, W., Zimmermann, H.: Detailhandel – Wirtschaft DHF, Grundlagen – verstehen; 5. Auflage; hep Verlag AG, Bern
– Beck, B.: Volkswirtschaft verstehen; vdf Hochschulverlag AG, Zürich
Ein Gedanke zu „Das nominale und das reale BIP“