Die Grundfrage, die wir uns in den Wirtschaftswissenschaften stellen, ist: Warum wirtschaften wir denn überhaupt? Die Antwort ist eigentlich simpel: Weil wir nicht im Schlaraffenland leben. Um zu (über-)leben, müssen wir schauen, dass wir unseren Lebensunterhalt bestreiten können. Das bedeutet so viel wie Geld verdienen, um uns etwas zu Essen, zu Trinken und ein Dach über dem Kopf leisten zu können. Und vielleicht hin und wieder eine Ferienreise. Oder eine neue Handtasche. Oder das tolle neue Bike.
Grundlage dieses «Wirtschaftens» sind unsere Bedürfnisse. Sie treiben uns an, sie geben uns vor, was wir uns für unser Leben wünschen. Unsere Bedürfnisse sind Mangelgefühle. Wir haben zum Beispiel Hunger: Ein Grundbedürfnis des Menschen, ein körperlicher Mangel an Nahrung. Der Hunger treibt uns an, uns ein Brot oder einen Apfel zu kaufen. Damit wir uns das Brot oder den Apfel kaufen können, müssen wir für den Verkäufer ein geeignetes Tauschmittel haben – heutzutage ist dieses Tauschmittel Geld. Und um an Geld zu kommen, müssen wir arbeiten, also wirtschaften. Und da Geld auch nicht im Überfluss vorhanden ist, müssen wir damit wirtschaftlich umgehen, also uns genau überlegen, was wir uns leisten und was nicht. Ohne unsere Mangelgefühle hätten wir also keinen Grund, überhaupt irgendwie zu wirtschaften. Unsere Bedürfnisse treiben uns an, sie sind der «Motor der Wirtschaft».
Wir unterscheiden verschiedene Arten von Bedürfnissen. Lebensnotwendige Mangelgefühle wie Hunger oder Durst oder Schlaf zählen zu den Grundbedürfnissen (auch Existenzbedürfnisse genannt); die Beseitigung des Mangels ist hier dringlich, ohne Nahrung, Wasser oder Schlaf sterben wir. Andere Mangelgefühle wie zum Beispiel das Bedürfnis nach guter Musik oder nach einem unterhaltsamen Film sind nicht lebensnotwendig (ok, die richtige Musik kann durchaus manchmal lebensnotwendig sein… ), wir können wählen, ob wir diese Bedürfnisse befriedigen möchten. Deshalb nennt man nicht lebensnotwendige Wünsche auch Wahlbedürfnisse.
Ein altbekanntes Konzept der Bedürfnishierarchie ist die Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham H. Maslow. Er hat die Bedürfnisse in folgende Kategorien unterteilt:
(Bildquelle: wikipedia.org)
Bei der Maslowschen Bedürfnispyramide sind zuunterst die physiologischen Bedürfnisse angesiedelt, also die Existenzbedürfnisse wie Hunger, Durst, etc. Auf der zweiten Stufe folgen die Sicherheitsbedürfnisse, also der z.B. der Wunsch nach einem Dach über dem Kopf. Sind diese Mängel ebenfalls beseitigt, folgen die sozialen Bedürfnisse: Freundschaft, Familie, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, etc. Fühlen wir uns sozial gut aufgehoben, so werden auf der nächsten Stufe unsere Individualbedürfnisse wichtig. Das bedeutet, dass wir von anderen geachtet und anerkannt werden möchten – dieser Punkt hat viel mit dem Lebensstandard zu tun: Mit Statussymbolen wie teuren Autos oder Markenkleidung zeigen wir, dass wir uns etwas leisten können. Und dafür möchten wir geachtet werden. Haben wir auch das erreicht, gelangen wir zur Spitze der Pyramide: Die Selbstverwirklichung. Das bedeutet, dass wir ein sinnvolles Leben führen möchten, dass wir unsere Träume verwirklichen möchten.
In reichen Kulturen wie unserer westlichen Welt erreichen wir Menschen relativ schnell die Bereiche der Individualbedürfnisse und der Selbstverwirklichung – viele Menschen wollen in ihrem Leben mehr als nur arbeiten und wünschen sich eine sinnvolle Tätigkeit und eine erfüllte Freizeit. In ärmeren Ländern sind diese Dinge weniger von Bedeutung. Eine von Armut betroffene Familie hat als grösste Sorge, dass genügend Nahrung auf den Tisch kommt und man ein Dach über dem Kopf hat. Ein teures Handy oder eine schicke Handtasche sind da nicht wichtig.
Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse. Ein junger Mensch hat andere Wünsche als ein Greis, ein armer Mensch hat andere Bedürfnisse als einer mit einem hohen Einkommen, ein Mensch aus einer sozial niedrigeren Schicht hat andere Mangelgefühle als ein Mitglied der High Society. So wünscht sich der unbekannte Teilnehmer einer Castingshow Aufmerksamkeit und Anerkennung, wo sich ein bereits bekannter Star vielleicht gerne einmal fünf Minuten Ruhe wünscht.
Doch es gibt nicht nur die Bedürfnisse einer einzelnen Person, es gibt auch Bedürfnisse einer Gruppe. Wenn eine Gruppe Menschen ein gemeinsames Bedürfnis hat, so sprechen wir von Kollektivbedürfnissen. Nehmen wir als Beispiel die Müllabfuhr. Jeder von uns produziert Müll. Alle Haushalte in einem Dorf möchten diesen Müll fachgerecht entsorgen. Daraus entsteht das Kollektivbedürfnis für eine geregelte Müllabfuhr. Oder nehmen wir das Bahnnetz: Wir haben alle das Bedürfnis nach Mobilität. Aus diesem individuellen Bedürfnis nach Mobilität ist das kollektive Bedürfnis nach einem flächendeckenden Schienennetz entstanden – bei uns gestellt durch die SBB. Wie man an diesen Beispielen unschwer erkennen kann, nimmt sich meist der Staat diesen Kollektivbedürfnissen an.
Wenn also ein einzelner Mensch seinen Wunsch selbst und durch sein eigenes Zutun befriedigen kann, so sprechen wir von einem Individualbedürfnis. Wenn ein Mensch sein Bedürfnis nicht alleine befriedigen kann und es ein gemeinsames Bedürfnis vieler Individuen ist, so sprechen wir von einem Kollektivbedürfnis.
Je wohlhabender eine Gesellschaft wird, desto mehr Kollektivbedürfnisse entstehen. Das ist in etwa wie bei der Maslow-Pyramide: Sind die «kleinen» Wünsche erfüllt, folgen die nächstgrösseren.
Aus diesen mehr oder weniger unkonkreten Bedürfnissen entstehen laufend konkrete Konsumwünsche. Und um diese Konsumwünsche befriedigen zu können, benötigen wir entsprechende Konsumgüter. Mehr zu diesen Konsumgütern erfahren wir im Artikel «Güter» (folgt!).
Quellen:
– W&G anwenden und verstehen, E-/BM-Profil; 3. Auflage; Verlag SKV AG, Zürich
– Eggen, W., Zimmermann, H.: Detailhandel – Wirtschaft DHF, Grundlagen – verstehen; 5. Auflage; hep Verlag AG, Bern
– Beck, B.: Volkswirtschaft verstehen; vdf Hochschulverlag AG, Zürich